Jeden Sommer erwacht neue Kunst in der französischen Stadt Nantes. Ich habe mich auf den Weg gemacht und bin dem Kunstpfad bis an die Atlantikküste gefolgt – mit dem Rad!
Kleine Kinder reiten auf schnaubenden Seepferdchen im Kreis, ihre Eltern lassen sich von fliegenden Fischen Runde um Runde über die Meeresoberfläche ziehen. In den Tiefseegräben lauern riesige Mantarochen und ein Leuchtfisch, am Grund taucht ein Kofferfisch ab. Der Ausblick von der obersten Etage des dreistöckigen Karussells der Meereswelten ist wirklich außergewöhnlich und ich weiß gar nicht, was ich zuerst fotografieren sollen.
Während sich im Inneren des mechanischen Aquariums dutzende Fische im Kreis drehen und von den Fahrgästen mit Kurbeln oder Hebeln zum Leben erweckt werden, schnaubt und prustet auf dem Vorplatz ein riesiger Holzelefant. Ich drehe mich um und schaue dem Tier nach. Unendlich langsam setzt er einen Fuß vor den anderen und trägt knapp 50 Gäste auf seinem Rücken durch den Park. Lebendige Kunst!! Seit fast zehn Jahren spaziert der riesige, mechanische Dickhäuter über die Île de Nantes und lockt jedes Jahr zahllose Besucher in die französische Stadt an der Loire. So wie mich!
Kunst in Nantes – immer dem grünen Band nach
Bis in die 1980er Jahre lebte Nantes zu großen Teilen vom Schiffbau, dann wurden die Werften geschlossen und an die Atlantikküste verlegt. „Die Loire war zu schmal und nicht mehr schiffbar für die immer größeren Kähne“, erzählt mir die Stadtführerin Christel Dugast. „Um den Tourismus zu fördern, suchte man neben dem Schloss und der Altstadt nach mehr Anziehungspunkten.“ Und so investiert Nantes seit über 20 Jahren in seine kulturelle Ausstattung, heute führt eine zwölf Kilometer lange, grüne Linie namens ‘Le Voyage à Nantes’ zu 20 Kunst-Höhepunkten der Stadt.
Meine Kunst-Highlights in Nantes:
- An einer Hauswand schlängelt sich das überdimensional große Maßband von Lilian Bourgeat entlang
- In der Skybar auf dem Tour Bretagne liegt ein Storch von Jean Jullien
- 18 abends bunt beleuchtete Ringe von Daniel Buren und Patrick Bouchain säumen die Promenade am Fluss
Und jeden Sommer kommen weitere, neue Kunstwerke hinzu, die im Herbst dann wieder abgebaut werden. „Wenn ihr der grünen Linie folgt, habt ihr etwa 80 Prozent der Kunst und der Sehenswürdigkeiten von Nantes gesehen“, rät mir Christel Dugast.
Auf zur Île de Nantes – zu den Maschinen
Der kulturelle Höhepunkt befindet sich auf dem ehemaligen Werftgelände der Stadt, die Maschinen! Ihre Schöpfer erinnern mit dem großen Elefanten und dem mechanischen Meeres-Karussell an die erfundenen Welten von Jules Verne, der auch aus Nantes stammt, und ziehen mit den außergewöhnlichen Lebewesen täglich tausende Besucher in ihren Bann.
Christel Dugast folgt bei unserer Stadtführung der grünen Linie, die von den Maschinen zu einem Denkmal zur Abschaffung der Sklaverei führt, von der Nantes in der Vergangenheit profitierte. Weiter geht es zur großen Oper und am einzigen Hochhaus der Innenstadt – dem Tour Bretagne – vorbei zum Schloss. Im Inneren erklärt ein modernes Museum anschaulich die wechselhafte Geschichte der Stadt, draußen wird gemütlich gepicknickt. „Überall in der Stadt haben wir sogenannte Stations Gourmet“, verrät die Stadtführerin. „Dort wachsen Erdbeeren oder Himbeeren, Apfelbäume laden zur Ernte ein.“ Sobald das Obst reif ist, darf sich jeder bedienen.
Mit dem Rad durch Nantes
Nantes ist eine Fahrradstadt mit eigenen Wegen und Ampeln und so radele ich wie so viele Urlauber von einem Kunstwerk zum nächsten und erreiche auch die außerhalb der Stadt liegenden Werke. Seit 2007 führt der Kunst-Parcours „Estuaire“, zu Deutsch „Mündung“, von Nantes an die Atlantikküste nach St-Nazaire. 29 Kunstwerke säumen den 60 Kilometer langen Abschnitt der Loire und können per Auto, Boot oder Fahrrad erkundet werden.
„Wer die Strecke mit dem Rad zurücklegen möchte, muss sich zunächst für eine Seite des Flusses entscheiden, denn bis zur Mündung gibt es keine Brücken und die Loire kann nur per Fähre überquert werden“, erklärt Virginie Priou vom örtlichen Tourismusbüro. Sie empfiehlt die Südroute und so radele ich bereits früh durch das Fischerdorf Trentemoult mit seinen bunten Kapitänshäusern zum ersten Kunstwerk, wo Roman Signer ein sieben Meter langes Pendel an einer alten, roten Betonfabrik schlagen lässt.
Auf dem Kunstweg zur Atlantikküste
Hier entfernt sich der Radweg dann von der Loire und erreicht den Fluss erst gute 15 Kilometer später in Le Pellerin wieder. Der kleine Fährort lockt mit einem Markt, winzigen Restaurants und einem Café mit Loire-Blick. Ich lasse mich auf einen der Stühle fallen, strecke die Beine aus und stärke mich mit einem Kaffe, denn für den typischen Weißwein aus der Region, den Muscadet, ist es noch zu früh. Beim Bäcker nebenan gibt es frisches Baguette für unterwegs. Das Maison dans la Loire lasse ich heute aus. Denn das wohl berühmteste Werk des Kunstpfads liegt am anderen Ufer und den Umweg mit Fährfahrt möchte ich mir sparen, schließlich sind es noch gut 45 Kilometer bis zum Meer.
Der Kunstweg folgt gute zehn Kilometer dem schnurgeraden Canal de la Martinière – das ist etwas eintönig, aber ich nehme es sportlich. Für künstlerische Abwechslung sorgt „Misconceivable“, ein stark verformtes Segelboot von Erwin Wurm. Trotz des bewölkten Himmels packe ich die Kamera aus und banne das Kunstwerk auf die Speicherkarte. Plötzlich fallen erste Tropfen vom Himmel und ich stelle mich erstmal unter. Johlend und französische Sprüche rufend jagen bunt behelmte Rennradler vorbei und achselzuckend trete auch auch ich wieder in die Pedale.
Schlangen am Strand
Nach einer Stunde erreiche ich endlich wieder die Loire in Paimboeuf und besichtige den Jardin Étoile von Kinya Maruyama. Mit müden Oberschenkeln stapfe ich die Aussichtstürme des Gartens hinauf und blicke weit über den Fluss und die Wiesen hin zu den ersten Industriegebieten der Küstenstadt St-Nazaire. Endlich ist das Ziel in Sichtweite!
Die letzten Kilometer zur Küste führen durch winzige Dörfer bis zu St-Nazaires Nachbarstadt St-Brevin-les-Pins, einem hübschen Ort mit teuren Ferienvillen, die sich an einem kilometerlangen, breiten Sandstrand aufreihen. Ganz im Norden der Stadt haben sich einige Urlauber am Strand versammelt und blicken auf das letzte Kunstwerk des „Estuaire“. Hier an der Mündung der Loire blickt die riesige „Serpent d’Océan“ von Huang Yong Ping aus dem Wasser. Die Wasserschlange ist zwar keine Maschine wie die Meerestiere im Karussell von Nantes, geht aber bei Flut trotzdem automatisch Baden – und das ganz ohne Hebel.
Mehr Informationen zur Stadt_Nantes und die Region Pays de la Loire.
Hinweis: Der Aufenthalt wurde von der Agence Pays de la Loure unterstützt. Der Bericht stellt ausschließlich unsere eigene Meinung dar.
Eigentlich bin ich kein Kunstfan – war aber von Nantes absolut begeistert. Wie haben dir die Eindrücke gefallen?
Hi Brigitte, von Nantes hatte ich noch gar nichts gehört! Sieht aber super nett aus die Stadt! Kann man die Innenstadt besser zu Fuß oder per Rad erkunden? Ist es teuer dort? Liebe Grüße, Sarah
Liebe Sarah, die Altstadt kann man super zu Fuß erkunden und die Insel mit den Maschinen ist fußläufig erreichbar. Es gibt aber auch Kunst außerhalb der Stadt, da ist man dann mit dem Rad schneller unterwegs. Die Preise sind wirklich moderat, der Citytrip ist daher gut finanzierbar. Liebe Grüße, Brigitte